UMBO. FOTOGRAF.

Kat. Sprengel Museum Hannover

Ausstellungskatalog, hrsg. von Inka Schube
Texte (dt.) von Inka Kristina Blaschke-Walther, Ute El Nahawi und Maria Bortfeldt, Michael Glasmeier, Stella Jaeger, Anthea Kennedy und Ian Wiblin, Angela Lammert, Annelie Lütgens, Sabrina Madanici, Patrick Rössler, Bernd Stiegler, Christoph Wagner, Georg Wiesing-Brandes, Inka Schube
336 S. mit 320 Abb. in Duotone
Format 27 x 23 cm, Leinen mit Schutzumschlag

ISBN 978-3-86442-280-5
 

98,00 €

UMBO – ein »Urknall« der modernen Fotografie

UMBO – dieser Name steht spätestens seit der von Herbert Molderings 1995 eingerichteten Retrospektive dieses Künstlers als Synonym für eine Art »Urknall« der modernen Fotografie Mitte der 1920er Jahre: UMBO, geboren 1902 in Düsseldorf als Otto Maximilian Umbehr, als zweites von zehn Kindern eines Bauingenieurs und einer Lehrerin, gilt als Erfinder des Bildes der Neuen Frau, des neuen Bildes der Straße, der fotografischen Reportage schlechthin. Sein Name steht für den jugendbewegten Aufbruch der Wandervögel aus der Wilhelminischen Ära ins frühe Bauhaus. Er steht ebenso für die in den 1920er Jahren vor allem von osteuropä­ischen Immigrant*innen beflügelte Medienmetropole Berlin, für eine sich rasant entwickelnde Film-, Musik-, Theater- und Kleinkunstszene, für Blicke in die Hinterhöfe und Wohnküchen überquellender Mietskasernen. UMBO: Das ist der an sich zweifelnde junge Künstler, der dank der von seinem Bauhauslehrer Johannes Itten und seinem Künstlerfreund Paul Citroen empfangenen Impulse quasi über Nacht als Fotograf berühmt wird und an allen bedeutenden Avantgardeausstellungen seiner Zeit teilnimmt; der, so die Erzählung, den Nationalsozialismus als »Anti« durchsteht, dessen Berliner Atelier und Archiv 1943 durch Bomben völlig zerstört wird und dessen Anknüpfungsversuche an die frühere Existenz als Fotograf der Avantgarde im Wirtschafts­wunder der bundesdeutschen Nachkriegszeit in Hannover scheitert; dessen expressives Früh-, dann neusachliches Werk in den 1970er ­Jahren wiederentdeckt wird; und der 1979, kurz vor seinem Tod, noch in der Spectrum Photogalerie im »Kunst­museum Hannover mit Sammlung ­Sprengel« seine erste Einzelausstellung im muse­alen Kontext erlebt. Diese Publikation nun, die eine Auswahl von 200 Werken und zahlreichen ­Dokumenten präsentiert, speist sich wesentlich aus dem Nachlass UMBOs. Über Jahrzehnte von Phyllis Umbehr, der Tochter des Künstlers, und dem Galeristen ­Rudolf Kicken behütet und bewegt, konnte der Nachlass UMBOs 2016 dank des ­En­gagements zahlreicher ­­Partner von der Stiftung Bauhaus ­Dessau, der ­Berlinischen Galerie und dem Sprengel Museum Hannover gemeinsam ­erworben werden. Mehr als 600 Fotografien und umfangreiches Quellenmaterial, ergänzt um frühere Erwerbungen der Partner­institutionen Berlinische Galerie und Stiftung Bauhaus Dessau, im Fall des Sprengel Museum Hannover aus dem Nachkriegsarchiv REPORT/ Simon Guttmann, London, bilden den Hintergrund. Und trotzdem lässt sich die Frage danach, wie dieser Fotograf in die komplizierten ­Geschichtsverläufe ­seiner Zeit verwoben war, nur vage beantworten: Erhalten blieben lediglich jene frühen Bilder, die UMBO als seine besten an Freunde weitergereicht oder an einige wenige Sammler gegeben hat. An die Oberfläche geschwemmt werden zudem im Zuge der Digitalisierung von Bildbeständen immer wieder Aufnahmen, die – nicht immer unter UMBOs Namen ­­­­­– ­­­in Presse­agenturen und Verlagen aus jenen Jahren ­zirkulierten. Dennoch ergibt das Material, ergänzt um ausgewählte Presseveröffentlich­ungen, ein ­äußerst vielschichtiges, schillerndes Bild, eine Künstlerbiografie des 20. Jahrhunderts voller ­Diskontinuitäten, Brüche und unbeantworteter ­Fragen. Sie kreisen nicht zuletzt um das Scheitern der Avantgarde und die Schwierigkeit, nach dem ­Zweiten Weltkrieg an deren Erfolge anzuknüpfen. Die Publikation UMBO. FOTOGRAF. bietet daher die Möglichkeit, die vielen Projektionen, die sich mit dem Namen UMBO verbinden, mehr als zwei Jahrzehnte nach der ersten Retrospektive erneut zu überprüfen.

Ausstellungen:
Sprengel Museum Hannover, 8/2–12/5/2019
Berlinische Galerie, Berlin, 21/2–25/5/2020