Javier Téllez: 4 1/2

Kat. Kunstverein Braunschweig

Ausstellungskatalog, hrsg. von Hilke Wagner
Texte (dt./eng.) von Guy Brett, Anselm Franke, John G. Hanhart, Hilke Wagner und mit einem Interview mit Javier Téllez von Pedro Reyes
Format 27 x 21 cm, Softcover

ISBN 978-3-940953-48-3

(vergriffen)

Wie haben Sie das gemacht Mr. Téllez?

Die vorliegende Publikation dokumentiert die erste institutionelle Einzelausstellung des New Yorker Künstlers Javier Téllez (geb. 1969 in Venezuela) in Deutschland. Längst überfällig erscheint diese Monografie eines Künstlers, der bereits an unzähligen bedeutenden Gruppenausstellungen, wie der Biennale von Venedig (2001 u. 2003), Sydney (2004) oder der Whitney Biennale (2008) sowie der Manifesta 7, beteiligt war.
In seiner Arbeit zwischen Fiktion und Dokumentation interpretiert Téllez klassische Literatur-, Theater- und Filmstoffe neu und reißt gewohnte soziokulturelle Grenzen ein. Die Ausstellung im Kunstverein Braunschweig umfasste neben Installationen vier seiner bedeutendsten Filmwerke. »La Passion de Jeanne d’Arc« (Rozelle Hospital, Sydney; 2004) gilt als wegweisende Filmproduktion Téllez’. Der überarbeitete Stummfilm »Jeanne d’Arc«(1928) und der in einer psychiatrischen Klinik gedrehte Film »Twelve and a Marionette« werden als Doppelprojektion präsentiert. Die Gegenüberstellung von Jeanne d’Arc, die zu ihrer Zeit als Besessene stigmatisiert, heute als Visionärin und Nationalheldin anerkannt ist, rückt die Patientinnen in ein neues Licht.
In »Oedipus Marshal« (2006) inszeniert Téllez Sophokles’ klassische Tragödie »König Ödipus« mit Westernkostümen und japanischen Masken vor der Kulisse einer verlassenen Goldgräberstadt in Colorado. Die Maskierungen führen eine Meta-Ebene ein: Als ambivalente Elemente verschleiern und entmystifizieren sie zugleich, sie destabilisieren Persönlichkeitsgrenzen, symbolisieren aber auch die ausgeprägte Fähigkeit zur Mimikry psychisch kranker Menschen, die Téllez meist als Schauspieler einsetzt.
»Letter on the Blind for the Use of Those Who See« (2007) greift auf den titelgebenden Klassiker von Diderot zurück und verweist darauf, dass Realität keineswegs eine objektiv bewertbare Konstante ist.
Die Arbeit »Caligari und der Schlafwandler« (2008) basiert auf dem expressionistischen Stummfilm »Das Kabinett des Dr. Caligari« von 1919. Die Vermischung von Realitätsebenen, Identitätswechsel und Mehrstimmigkeit sind Themen, die Téllez’ Filme häufig inhaltlich aufgreifen, aber auch darstellungstechnisch umsetzen. Durch die Wahl von Mendelsohns Einsteinturm – einer Ikone der expressionistischen Architektur – als Drehort, wird hier zudem auf eine Epoche der Kunst und des Filmes verwiesen, die sich erstmals mit pathologischen Störungen auseinandersetzt und sich davon inspirieren lässt.