David Czupryn in der Kunsthalle Darmstadt

 Seine erste Soloshow ist ab sofort zu sehen

Sinnliche Reize und die Magie der Oberfläche!

(León Krempel, Saalblatt zur Ausstellung der Kunsthalle Darmstadt, 28.10.18–6.1.19)

Die Kunsthalle Darmstadt bietet mit der Einzelausstellung HE SHE IT erstmals einen umfassenden Einblick in das Schaffen David Czupryns, eines Künstlers, der die im zeitgenössischen Kunstbetrieb allzu oft argwöhnisch beäugte figürliche Malerei aus der Deckung zu locken versteht, ihre Aktualität und die spezifischen Möglichkeiten ihres Mediums zelebriert. Nach einer Ausbildung zum Schreiner begann David Czupryn sein Kunststudium in Düsseldorf zunächst in der Bildhauerei. 2011 vollzog er den Wechsel zur Malerei, ohne aber die benachbarte Disziplin aus den Augen zu verlieren. Schon sein erstes Gemälde SKULPTUR (2012) bildete Teile einer eigenen bilshauerischen Arbeit ab und kündigte eine künstlerische Praxis der Aneignung und Nachahmung an, die David Czupryns Schaffen wesentlich prägt.

David Czupryns Bildräume sind untief, erinnern an kastenartige, durch Wände geschlossene Bühnenarchitekturen, die sich zum Betrachter hin öffnen. Was sich dort darbietet, lässt in seiner Rätselhaftigkeit an Gemälde Max Beckmanns oder Neo Rauchs denken, erinnert aber auch an die Kunst der Symbolisten und Surrealisten. Die zahlreichen Objekte und Figuren, aus denen sich die gemalten Installationen zusammensetzen, basieren auf Vorlagen aus der Hohen Kunst wie der Populärkultur. David Czupryn integriert neben zeitgenössischen Materialien wie Kunststoff und Beton, Motive aus der Streetart, der technoiden Subkultur oder Charaktere aus Computerspielen in seine Werke. Es hat programmatischen Charakter, wenn er den vier im Stil klassischer Allegorien mit Attributen ausgestatteten Personifikationen der Architektur, Literatur, Kunst und Musik in dem 2017 entstandenen Gemälde ALTERNATIVE LIFEFORMS einen Tag aus seiner Zeit als Graffiti-Writer zur Seite stellt und über den Titel den Diskurs um die Singularität künstlicher Intelligenz thematisiert.

Die gender-unspezifischen Figuren David Czupryns erinnern häufig an Truggespinste, beunruhigende, aus Gegenständen aller Art improvisierte Gliederpuppen. Was zunächst wie poppig-buntes Spielzeug anmutet, entpuppt sich auf den zweiten Blick als fragmentierter Körper, als mechanisches Wesen, irritiert mit zum Schrei geöffnetem oder grinsendem Mund und spitzen, sich in den Betrachterraum drängenden Formen und schafft in seiner Fremdartigkeit eine unheimliche Atmosphäre.

Neben den malerisch montierten »Figurenassemblagen« finden sich in der Sezenerie der großformatigen Leinwandbilder meist auch Interpretationen von Kunstwerken. So hat David Czupryn in HE SHE IT (2017) einen Frauenkopf von Naum Gabo, einen Faltplastik von Lygia Clark sowie ein Eckrelief von Wladimir Tatlin verarbeitet. Sein Aneignungsverfahren liest sich dabei weniger als ein kritisch-dekonstruierender Akt, welcher Kategorien wie Innovation und Originalität per se in Frage stellen will, sondern vielmehr als eine respektvolle Hommage an Vorbilder, die er sich für seine Zwecke anverwandelt. Für David Czupryn funktionieren diese Vorlagen mitunter wie menschliche Typen, Charaktere, die er als sinnstiftende Fragmente in seine Arbeiten integriert.

Vorlagen für sein Figurenarsenal findet David Czupryn vor allem in der figürlichen Bildhauerei, die er in das Medium der Malerei überträgt. Eine Ausnahme bildet BATON BLOWS (2018), das auf dem 1937 entstandenen Gemälde COUPS DE BÂTONS [Knüppelschläge] des französisch-griechischen Malers Antoine Malliarakis alias Mayo beruht. David Czupryn kopierte die von Mayo als Körpergewirr dargestellte Gewaltszene, esetzte jedoch das kreidige Inkarnat der Originalfiguren durch die für seine Bilder typische Holzmaserung. Die malerische Imitation von Oberflächen in ihrer spezifischen Beschaffenheit, die Materialmimesis, stellt neben der Nachahmung künstlerischer Vorbilder eine weitere Konstante seiner Kunst dar. Es war diese Faszination für die mimetischen Maltechniken, genauer für jene der frühneuzeitlichen Grisaille-Malerei, die David Czupryn ursprünglich zum klassischen Trompe-l’OEil und damit zur Malerei brachten.

Es sind die Materialverliebtheit, der sinnliche Reiz und die Magie der Oberflächen, die David Czupryns Kunst auch mit der klassischen Stilllebenmalerei verbinden. Anders als der feinmalerische Realismus der Alten Meister sind David Czupryns große Formate jedoch nicht auf Nahsicht angelegt und entfalten ihre Wirkung im Raum. Schichtweise aufgetragene transluzide Farbe schaffen starke, aber stets harmonische Kontraste. Pinsel und Farbe bilden geradezu provokativ Oberflächen nach, bescheren alten Trompe-l’OEil-Techniken ein unerwartetes Comeback und negieren Handschrift und Gestus als die Aushängeschilder der modernen Malerei.