Ausstellungskatalog, herausgegeben von Fabienne Eggelhöfer, Nina Zimmer
Texte von Gênese Andrade, Anna Paula Cavalcanti Simioni, Eduardo Jorge de Oliveira, Adrian Locke, Alecsandra Matias de Olivereia, Fabienne Eggelhöfer und Roberta Saraiva Coutinho, Giancarlo Hannud, Cacá Machado, Guilherme Wisnik, ein Vorwort von Nina Zimmer, eine umfassende Chronologie und Bibliographie
304 S. mit 200 farbigen Abbildungen
280 x 210 mm, Softcover mit Klappen
48,00 €
Im Winter 1944 veranstaltete die Royal Academy of Arts drei Wochen lang die »Ausstellung der modernen brasilianischen Malerei« in ihren großen, neoklassizistischen Hauptgalerien. Der Titel der Schau ist etwas irreführend, denn es handelte sich tatsächlich um zwei unterschiedliche Ausstellungen in einer: Die erste, die »Ausstellung der modernen brasilianischen Malerei«, umfasste 80 Gemälde und 86 Arbeiten auf Papier, die in zwei Galerien gezeigt wurden; und die zweite, »Brazil Builds«, enthielt 192 Fotografien und belegte eine einzige Galerie. Zwischen 1947 und 1948 eröffneten sowohl das Museu de Arte Moderna de São Paulo (MAM-SP) als auch das Museu de Arte de São Paulo (MASP) sowie das Museu de Arte Moderna do Rio de Janeiro (MAM-RJ), und ein Kunstkritiker bezeichnete diese Initiativen als »Zeichen des brasilianischen Wunsches, mit seinen eigenen Künstlern zu kommunizieren und sich mit diesen internationalen künstlerischen Ausdruckszentren zu verbinden«. Nicht lange danach, im Jahr 1951, eröffnete Brasilien die Biennale Internacional de São Paulo: die erste alle zwei Jahre stattfindende Ausstellung der Welt nach Venedig und eine Demonstration des Werts, den Brasilien damals der Kunst und Kultur beimaß, und unterstrich seine Entschlossenheit, Teil der aufstrebenden internationalen Kunstszene der Nachkriegszeit zu sein. Die Semana de Arte Moderna (Woche der modernen Kunst) im Jahr 1922 gilt als Startschuss für die Entwicklung eines brasilianischen Modernismus, aus dem eine erste Generation von Künstlern hervorging, darunter Anita Malfatti (1889–1964) und Vicente do Rego Monteiro (1899–1970). Der genuin brasilianische Aspekt dieser Moderne, wie ihn der Schriftsteller Oswald de Andrade postulierte, wäre die Rolle der »nationalen Identität«. In einem Manifest forderte er, die fremde europäische Kultur zu verschlingen, »zu verdauen« und durch ihre Transformation zu nutzen, um eine eigenständige brasilianische Kunst zu schmieden. Dazu gehöre auch das »Verschlingen« indigener und afrobrasilianischer Kulturen. Den beiden oben genannten Künstlern und weiteren Protagonisten wie Lasar Segall (1891–1957) und Tarsila do Amaral (1886–1973) gilt heute eine gewisse soziale Distanz zur indigenen Bildsprache und zu afrobrasilianischen Ritualen, die schließlich von einer zweiten Generation um Djanira da Motta e Silva (1914–1979) und Rubem Valentim (1922–1991) überwunden wurde. Nun sorgen all diese Künstler und ihre Werke in Ausstellungen wie »Foreigners Everywhere« auf der 60. Biennale von Venedig (kuratiert von Adriano Pedrosa) für Aufsehen, da nach der »verdauten« formalistischen Eroberung durch die europäische Moderne eine ganz eigene Bildsprache in den Werken entstand. Das internationale Interesse am Konzept der globalen Moderne ist seit geraumer Zeit stark ausgeprägt und wissenschaftliche Parallelen zu den Herausforderungen der europäischen Moderne werden ebenso thematisiert wie die politischen, sozialen und kulturellen Unterschiede. »Brasilien! Brasil! – The Dawn of Modernity« stellt in der Ausstellung und mit dieser umfassenden Publikation die unterschiedlichen Wege vor, in denen brasilianische Künstlerinnen und Künstler ihre ausgeprägte moderne Bildsprache entwickelt haben und gibt anhand der Präsentation von zehn Positionen zugleich eine Einführung in die prägenden politischen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen; Auch Schlüsselstationen in Literatur, Musik, Design und Architektur wurden thematisiert. Eine erste Gelegenheit zum interkulturellen Austausch bot sich dem Zentrum Paul Klee 2019 mit der von Fabienne Eggelhöfer kuratierten Ausstellung »Paul Klee – Unstable Balance«, die auf ihrer Tour von Saõ Paulo über Rio de Janeiro nach Belo Horizonte vom brasilianischen Publikum mit großem Interesse aufgenommen wurde.
Ausstellung:
Zentrum Paul Klee Bern, 7/9/2024 – 5/1/2025
Royal Academy of Arts, London, 28/1 – 21/4/2025
Künstler: Anita Malfatti, Vicente do Rego Monteiro, Tarsila do Amaral, Candido Portinari, Lasar Segall, Flávio de Carvalho, Alfredo Volpi, Djanira da Motta e Silva, Geraldo Barros, Rubem Valentim
Die Ausstellung wird vom Zentrum Paul Klee, Bern, in Zusammenarbeit mit der Royal Academy of Arts, London organisiert